Keine „richtige“ FLR

2. Oktober 2020 Aus Von Lilith
Kürzlich gab es eine Amazon-Rezension, die ich bemerkenswert finde. Nicht, weil sie besonders gut war, im Gegenteil (ganz schrecklich war sie allerdings auch nicht).  Sie ist ungewöhnlich ausführlich und ich möchte sie hier kommentieren. Kommentieren, wohlgemerkt, nicht meine Position verteidigen. Und auch meine Kommentare spiegeln lediglich meine Ansicht wider, ebenso, wie der Rezensent seine Meinung kundtut – auch wenn er, vor allem am Schluss den Eindruck erweckt, er wisse genau, was eine ‚richtige‘ FLR ist.
Hier die Rezension:
Das Positive mal vorab:
Wäre es nur ein Beziehungsroman wie jeder andere gewesen, wäre meine Bewertung aufgrund des angenehmen und unterhaltsamen Schreibstils wesentlich besser ausgefallen. Dankenswerterweise wird man von einem pornösen Geschreibsel verschont, was in Femdomlektüre leider aufgrund der Wünsche bzw „Bedürfnisse“ der Zielgruppe zur echten Seuche mutiert ist.

Ein Dankeschön erstmal vorab. Wenn man schreibt, ist ein Lob bezüglich des Schreibstils immer erfreulich. Ganz unabhängig vom Thema.

 

Wenn das Buch jedoch als FLR-Roman verkauft werden soll, dann ist das eine glatte Themaverfehlung und schürt falsche Hoffnung/Erwartungen auf beiden Seiten.

Nun ja, das heißt, der Leser hatte Erwartungen, die er enttäuscht sah. Das ist bedauerlich.  Es gibt auch Leser, die das nicht so sehen. Aber sei’s drum. Wenn man ein solches Buch an die Öffentlichkeit bringt, wird man alle erdenklichen oder sogar undenklichen Ansichten darüber hören. Aber es ist immer positiv, wenn sich Leser zu Reaktionen bewogen fühlen, denn es heißt, der Text lässt sie nicht gleichgültig, gibt zu Nachdenken und Auseinandersetzung mit der Geschichte Anlass. Und so gesehen ist jede Reaktion konstruktiv, auch – und besonders – kritische.

Warum? Einfach weiterlesen…

Was ich nicht gut finde:
Umso weiter man liest, desto mehr kristallisiert sich heraus: sie bespasst ihn, er genießt das. Das Schema kennen wir doch. Natürlich hat sie auch scheinbar Spaß an seiner Reaktion, allerdings dreht es sich dabei überwiegend um seine Bedürfnisse. Er provoziert, sie rennt ihm hinterher und „muss“ ihn mit Aufmerksamkeiten (Kleidung wie sie IHN anmacht, zur „Bestrafung“ auf die ER nur wartet,…) wieder einfangen. Sorry but not sorry. So läuft das im echten Leben einer FLR nicht.

So wie hier beschrieben: d’accord. So ist es aber nicht. Sicher gibt es solche Szenen, vor allem zu Beginn, wo sie erstmal mit dieser Beziehungsform vertraut werden muss. Aber so gelesen, sind feine Nuancen nicht erwähnt, die zeigen, wie sie langsam ins Verständnis der subtilen Feinheiten hineinwächst.

Natürlich ist mir klar, dass es sich um einen Roman handelt, wenn dieser jedoch den Namen „FLR“ trägt, dann erwarte ich auch entsprechenden Inhalt. Passender wäre „topping from the bottom und wie ich damit glücklich lebe“. Ich mag Lillith dadurch nicht beurteilen, verurteilen, abwerten o.ä. mein Problem ist der Begriff FLR, der falsch dargestellt wird.

Nach Verständnis dieses Lesers. Es wäre nur hilfreich, würde er SEIN Verständnis einer FLR, wie sie seiner Meinung nach zu sein hat, dagegenstellen.

Der Protagonist Rolf, ist, wie man anhand der Durchsetzung seiner Bedürfnisse sehen kann, im Grunde ein dominanter, passiver Mann mit speziellen sexuellen Gelüsten, der die in ihn Verliebte schön dahin bekommt wie so viele „submissive Männer“ im echten Leben die Frauen haben wollen, eine Wunscherfüllerin 24/7, die genau das tut was ER will. Wenn nicht, wird weitergenölt bis sie ihm gibt was er will. Sowas kann nur schiefgehen, wenn er ihre Dominanz nur mit „Belohnungen“ „anerkennt“.

Wie komme ich auf diese Annahme?
Man sieht es sehr gut an einer Episode, bei der Rolf nicht ganz so bedient wird, wie ihm beliebt. Schon wird er „knaddelig“ und Lilith macht sich ihre Gedanken wie sie die Retterin in der Not wird (oder eher von Rolf’s Nöten..). Wieso läuft sie ihm so hinterher? Hormoncocktail der Liebe hin oder her, das sind nicht ihre Bedürfnisse und ein zufriedener Mann ist es im Sinne einer FLR auch nicht. Da hätte der gute Rolf auch mal aktiv werden sollen und damit meine ich keine später ausformulierten Wunschzettel mit „Herrinnenmangel“ zu platzieren.

Das ist allerdings richtig, wenn damit gemeint ist, dass es nicht ihre Aufgabe ist, sich so zu verhalten, dass er zufrieden ist, sondern seine Aufgabe, sich so zu verhalten, dass sie zufrieden ist und bei ihr die ‚Macht‘ ist, dies einzufordern zu IHREN Bedingungen.


Aber:
Es gibt noch den Begriff Caring Domination, der in einer FLR-Beziehung nicht vergessen werden sollte. Es geht nicht darum, die Beziehung so zu gestalten, dass SIE zufrieden ist, egal, wie es ihm dabei geht, sondern darum, sie GEMEINSAM so zu gestalten, dass es BEIDEN dabei gut geht. Und das ist eine Kunst, die ständige Achtsamkeit und Beziehungsarbeit fordert.

Da es in einer FLR darum geht, dass die Frau führt, ganz gleich was das für eine Dame selbst bedeutet, dann widerspricht das (mal wieder) dem ganzen Konstrukt der FLR.

Es ist dann eine FLR, wenn die Frau führt, ganz richtig. Nicht mehr und nicht weniger. Ganz gleich, was das für eine DAME  selbst bedeutet? Das ist mal drollig. Ich hoffe, ich verstehe das richtig! Das klingt für mich so, als würde der Rezensent sagen wollen: Egal, ob es der Dame angenehm ist, oder nicht, sie hat zu führen, will sie in einer FLR leben. Das ist sonderbar.  Zumindest hat es nichts mit einer FLR zu tun, wie ich sie verstehe.

Natürlich ist alles ein Geben und Nehmen, mit Konflikten und ganz individuellen Wegen. Jedoch gibt es eine Kleinigkeit in der FLR, die anders ist: in einer FLR ist es nicht die Frau, die dem Mann mit der Puderdose ständig hinterher läuft…

Na, das hoffe ich doch. Das tut sie aber auch nicht. Sie versucht den Weg zu finden zwischen eben dem und dem Führen, was aus der Beziehung eine FLR macht.

Eine Beziehung kann man das nennen, wenn beide dabei glücklich sind, ist das schön, der Knackpunkt ist aber folgender: eine FLR ist das, wie man es dreht und wendet nunmal nicht.

Wie oben schon dargelegt: Je nachdem, wie man FLR definiert. Und da gibt es sehr kontroverse Ansichten. Meistens wird FLR als Unterform einer BDSM-Beziehung verstanden (was ich beim Rezensenten vermute. Sicher kann ich nicht sein, weil er eben nirgendwo darlegt, wie denn eine FLR auszusehen hat, damit man sie seiner Meinung nach so nennen kann.), aber das ist sie für mich nicht. Es ist eine eigenständige Beziehungsform, bei der die Frau führt. Und die kann natürlich auch BDSM-Praktiken beinhalten, sie muss es aber nicht.

Zielgruppe sind also mal wieder (schon vom Cover zu erkennen und vom Inhalt bestätigt) Männer und ich hoffe inständig, dass diese nicht glauben, dass eine FLR tatsächlich so abläuft.

Ganz falsch! Zielgruppe sind neugierige und interessierte Frauen, Männer und Paare, Singles, junge Menschen (volljährig natürlich) und ältere. (Und vor allem auch Frauen finden das Cover ansprechend und erotisch.) Und noch einmal: Es wäre schön gewesen zu erfahren, wie denn eine richtige FLR dem Rezensenten nach tatsächlich ablaufen sollte.

Aber unabhängig davon: Vielen Dank für diese Rezension. Sie hat mich dazu gebracht, nochmal kritisch drüber nachzudenken und das ist immer ein Gewinn.