Dominant? Devot?

2. Juni 2019 Aus Von Lilith

Es gibt, Männer, die entsprechende Neigungen verspüren und auf dem Weg, sich selbst und diese Neigungen zu verstehen, auf BDSM-Seiten landen. Das ist ganz logisch. Viele werden sich auch dort wiederfinden und sich in dieser Szene wohlfühlen. Sie erkennen, dass sie devot sind (in diesem Fall) und spüren, dass sie angekommen sind.

Einige aber, vielleicht sogar mehr als einige, spüren ebenfalls diese Neigungen, sind sich aber nicht sicher, ob sie wirklich devot sind. Auf der Suche nach Sicherheit finden sie im Netz dann einige Tests, mit deren Hilfe man da Klarheit finden soll.
Wobei es sehr fraglich ist, ob ein solcher Test da überhaupt Klarheit bringen kann.
Und kommt dann zum Beispiel heraus, dass er devot ist, wird das möglicherweise gar nicht hinterfragt, sondern er macht sich auf, entsprechend zu agieren. Da ist es durchaus möglich, dass der Tag kommt, an dem er merkt, dass irgendwas anders ist, als er dachte.

In einer FLR-Beziehung ist das „Macht“gefälle klar: Sie ist dominant, er ist devot. Ganz klar … oder?
Die Absprache ist eindeutig: Sie führt und hat das letzte Wort. Er dient ihr und ‚trägt sie auf Händen‘ oder bemüht sich zumindest drum. Wenn es ihm weniger gut gelingt, korrigiert sie das, wenigstens soweit es sie stört.
So weit so gut.
Es gibt sicherlich naturdominante und naturdevote Menschen. Keine Frage. Aber wie mit allen Definitionen ist es auch hier so eine Sache. Ich glaube kaum, dass jemand zu 100% dominant bzw. devot ist. Ich meine, jeder Mensch hat von beidem etwas in sich. Ich gehe sogar noch weiter:
Meiner Meinung nach kann sich das sogar wandeln. Ich habe mitunter gefragt, woher jemand die Sicherheit bezieht, dominant oder devot zu sein. In ganz vielen Fällen kam die Antwort: „Ich hab im Internet einen Test (Beispiel) gemacht.“ Siehe oben!

Zurück zur FLR: Man stelle sich mal vor, der Sub stellt plötzlich fest, dass er so devot, wie er dachte, gar nicht ist. Oder umgekehrt, die Lady verliert plötzlich die Lust am Dominieren.
Ups!
Das ist durchaus denkbar. Was macht man denn dann?
Die Frage ist genauso wolkig wie die Frage nach der eigenen möglichen Dominanz oder Devotion.
Alles, absolut alles ist veränderbar. Ich glaube, es ist ganz gesund, wenn man an solchen Begrifflichkeiten nicht starr festhält, sondern versucht, sich eine innere Distanz zu bewahren und locker damit umzugehen.
Gesetzt den Fall, die Neigungen switchen tatsächlich – so what. Dann nennt sich das strenggenommen vielleicht nicht mehr FLR, oder trotzdem noch und das wird dann verstanden und gelebt als Experimentierphase in anderer Richtung. Und möglicherweise ändert sich das auch mal wieder, dann ist man halt wieder anders unterwegs.

Was ich sagen will: Die Beziehungsform FLR ist wunderbar. Aber wie alle Beziehungsformen sollte man auch sie nicht als fest zementiert betrachten, sondern offen sein für Experimente und nicht erschrecken, wenn sich da etwas verschiebt. Wenn man das Gefühl hat, dass da etwas erstarrt ist – und das ist in jeder Beziehung möglich, auch in einer FLR – tut es gut, alles mal distanziert zu betrachten und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen. Denn letztlich geht es darum, dass ein Paar einen gemeinsamen Weg geht, der in allen Richtungen offen sein sollte und nicht „zwanghaft“ irgendetwas leben, was sich plötzlich so nicht mehr stimmig anfühlt. Das tut keiner Beziehungsform gut.
Ob das jetzt BDSM heißt, FLR oder wie auch immer, es ist gut, zu vermeiden, dass man sich festfährt und denkt, das muss jetzt alles bis Ultimo immer so bleiben. Es kann sich auch mal ändern.

Bei den Überlegungen zu diesem Post hatte ich etwas wie ein AHA! Ich wage jetzt einen ganz kühnen Gedanken:
Meist wird für eine FLR als Bedingung vorausgesetzt, dass die Lady dominant und der Sub devot ist. Man stelle sich nun mal vor, der Sub sei gar keiner, sondern selbst eher dominant. Er möchte aber in einer FLR leben. Ginge das denn? Ich halte das für möglich. Denn er kann sich aus freiem Entschluss dafür entscheiden, die Zügel aus der Hand zu geben und der Lady ergeben zu dienen. Ist das dann noch eine FLR? Letztendlich ja, nimmt man die ‚Grunddefinition‘ einer FLR: von einer Frau bestimmte Beziehung mit einem Mann.
Im täglichen Leben würde sich dabei nicht so viel ändern im Vergleich zu einer dominant/devoten Beziehung, aber es würde sich anders anfühlen. Und die beiderseitigen Neigungen können ebenso ausagiert werden. Vielleicht sogar vielfältiger, weil der Blick nicht mehr so sehr davon verstellt wird, wie eine FLR zu sein hat.

Das ist jetzt ein wenig sperrige Kost, aber ich denke, solche Überlegungen sind auch mal interessant.

FLR heißt nicht: Freudentaumel, Lustextase und Riesenaction. Der Eindruck entsteht oft, weil Menschen, die darüber berichten, so happy, manchmal überschwänglich jubeln. Man sollte aber trotz allem nicht den Boden verlieren und abheben. FLR ist eine Beziehungsform, die wirklich Erfolgspotenzial hat, aber Erfolgspotenzial heißt nicht automatisch Erfolgsgarantie. Ein wichtiger Unterschied.