Alltagstauglichkeit

1. Oktober 2018 Aus Von Lilith

Es kann nicht ausbleiben, dass sich manches hier wiederholt. Das ist zwangsläufig und zeigt lediglich, wie wichtig manche Themen sind.

Hier nun eines davon:

Alltagstauglichkeit

Wenn sich an FLR Interessierte oder in einer FLR Lebende austauschen, begegnen einem immer wieder einige Grundmotive. U.a. diese beiden:

  • Männer fragen zuallererst mal nach dem Wie und Wieviel bezüglich Strafmaßnahmen, Keuschheitspraktiken, der Strenge der Herrin etc. In der Regel sind es diejenigen, die sich nach einer entsprechenden Beziehung sehnen, aber noch nicht fündig geworden sind und ihr Kopfkino mit Content aus dem Netz füttern. Dieser ist noch etwas einseitig, weil schon allein die Tatsache, dass es FLR gibt, noch nicht in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist. Und im Netz wird um die Antwort auf die Frage: „Was genau ist denn nun eine FLR?“ noch heftig gerungen.

  • Frauen finden den Gedanken, verehrt zu werden und sagen zu können, wo es lang geht, grundsätzlich erstmal ganz nett. Aber den Gedanken, dass sie ständig führen sollen und der Partner alle Entscheidungen in ihre Hände legt, anstrengend. Ganz zu schweigen davon, dass er möglicherweise erwartet, sie solle seine erotisch/sexuellen Wünsche bedienen.

    Hier lasse ich dominant veranlagte Frauen, die eher BDSM-mäßig unterwegs sind, außen vor, denn darum geht es hier nicht.

In der Regel ist der Ablauf (noch) so, dass der Wunsch nach einer sub/Dom-Beziehung eher vom Mann ausgeht. Er ist/wird sich seiner Neigung bewusst und macht sich auf die Suche nach einer entsprechenden Partnerin. Oder er ist schon in einer Beziehung und wagt es irgendwann, sich seiner Partnerin gegenüber zu outen.

Im ersten Fall wird er schnell merken, dass es gar nicht so leicht ist, jemanden zu finden. Es ist ja schon grundätzlich nicht einfach, jemanden zu finden, der/die gut zu einem passt. Eine FLR-Partnerin zu finden ist nochmal schwieriger, schon allein deshalb, weil es immer noch eher weniger Frauen gibt, die überhaupt eine Ahnung von dieser Beziehungsform haben. Selbst die Männer gehen meist zunächst davon aus, dass ihre Neigungen im Bereich BDSM angesiedelt sind, weil Sehnsucht nach Fesseln, Peitsche und Co. automatisch dort verortet werden. Da sie jedoch spüren, dass es da noch etwas gibt, was sie bei BDSM allein nicht finden, suchen sie weiter. Und im besten Fall landen sie dann beim Thema FLR.

Outet er sich in einer schon bestehenden Partnerschaft, gibt es drei grundsätzliche Möglichkeiten:

  • Seine Partnerin reagiert mit Unverständnis und Ablehnung, will die Beziehung aber nicht beenden und er verschließt seine Wünsche in sich und lebt weiter stino.
    Das ist die schlechteste Möglichkeit, denn auf Dauer kann das nicht gut gehen.

  • Seine Partnerin ist geschockt, hält ihn für pervers und will mit ’so einem‘ nicht mehr zusammen sein. (Jetzt mal überspitzt. Aber ich kenne Fälle, wo es genauso gelaufen ist.) Das ist zunächst mal schlimm, aber besser als die erste Möglichkeit, denn sie schafft klare Verhältnisse und die Partner können neue Beziehungen eingehen, mit denen sie (hoffentlich) glücklicher werden können.

  • Die Partnerin hört sich das an, versucht, ihren Partner zu verstehen und ist bereit, sich zumindest mal aufzumachen, um kennenzulernen, worum es da geht.

    • Entweder kommt der Moment, in dem sie sagt: „Ich kann das doch nicht“. Dann kann es immer noch zu den beiden erstgenannten Entscheidungen kommen.

    • Oder sie findet Gefallen an dieser Form der Beziehung. Das ist der beste Fall. Damit ist natürlich noch nicht alles in trockenen Tüchern, denn hier beginnt ja erst ein gemeinsamer Weg. Aber dieser ist spannend und kann sehr erfüllend sein.

Zunächst wird, vor allem von Frauen, eine solche Beziehung als anstrengend empfunden. Sie haben das Gefühl, alles hänge an ihnen und der Partner erwarte das auch. Es gibt kein Rezept dafür, wie eine FLR zu gestalten ist. Jedes Paar muss seinen Weg finden.
Meist gehen Männer steil, die ihre große Sehnsucht endlich leben dürfen, ohne wie bisher zu meinen, sich dafür schämen zu müssen. Sie können kaum genug kriegen, und das wird den Partnerinnen häufig schnell zu viel. Sie müssen sich normalerweise erst in die neue ‚Machtverteilung‘ einfinden.
Es ist ein Prozess.

Hilfreich ist hier die Frage, auf die man erstmal nicht kommt, die aber absolut wesentlich ist:

Wie wird unsere Beziehung alltagstauglich?

Hier eine vielleicht unerwartete Antwort:

Normalerweise wird sie das mit der Zeit mehr oder weniger automatisch.

Wenn man am Beginn einer FLR steht, ist erstmal alles neu.
Das ist so ähnlich, wie wenn man eine neue komplizierte Diät beginnt. Zuerst kommt das einem wie ein Berg vor. Alles, was man bislang so aus dem Handgelenk gemacht hat, muss man jetzt ändern. Doch dann beginnt man, und nach einiger Zeit merkt man, dass es so kompliziert auch wieder nicht ist. Und irgendwann wird es normal und man macht es wieder aus dem Handgelenk.

So ähnlich ist es bei einer FLR auch.

Nach und nach macht der Mann die Erfahrung, dass er nicht ständige Herrin-Aktionen braucht, um sicher sein zu können, dass sie nicht wieder verschwindet. Nach und nach wird die Sehnsucht mehr und mehr gestillt und der zunächst häufig übersteigerte Eifer kommt auf Normalmaß.
Die Lady lernt, dass sie mitnichten irgendwas MUSS. Sie muss lediglich auf sich lauschen und tut authentisch das, was für sie stimmig ist. Und das geschieht dann auch, denn sie sagt ja, wo es lang geht. (Das ist für die meisten Frauen ganz neu, denn ihre Erziehung hat sie meist gelehrt, dass ihre Meinung zweitrangig ist.)
Und schließlich leben beide ihre Beziehung so, dass es ihnen gut geht damit. Sie haben es sich gemeinsam ‚erarbeitet‘. Ihre Beziehung ist im Alltag angekommen.

Damit will nicht gesagt sein, dass eine FLR automatisch langfristig eine Friede-Freude-Eierkuchen-Beziehung ist. Sie hat ihre Aufs und Abs wie jede andere Beziehung auch, und auch eine FLR-Beziehung kann zerbrechen.
Aber ich behaupte, dass die Gefahr des Scheiterns in einer solchen Beziehung per se geringer ist. Sofern sie bewusst gelebt und entsprechend an ihr gearbeitet wird.