Jay

Jay (Nickname):

Liebe Lilith,

da wollte ich Ihr Buch (mal wieder) einer guten Freundin empfehlen und sehe, dass Sie zwischenzeitlich eine Webseite mit Kontaktmöglichkeit haben. Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen zu schreiben.
Vor ca. einem Jahr saß ich geradezu unschuldig bei Frau Blum in Stuttgart-West. Denn dort war eine Lesung angekündigt, deren Thema mich »eigentlich« nicht so wirklich interessierte. FLR? Frauen, die in Beziehungen führen? Nein, ich war zwar BDSM-lerin, aber seit zehn Jahren streng devot. Nun ja, irgendetwas in meinem Unterbewusstsein ließ mich in die Bahn steigen und zur Lesung fahren.
Sie und Ihr Partner saßen auf der Bühne und ich musste mehrmals sehr genau hinschauen. Dominante Frauen – das waren doch diese unweiblichen und lauten Herrinnen? Submissive Männer – das waren doch diese jungenhaften und verschüchterten Bubis?
Nein … denn was ich sah, das war ein harmonisches Paar bzw. zwei sehr sympathische und geerdete Menschen, die etwas zu verbinden schien, das ich nicht recht greifen konnte. Mein erster Gedanke: Jay, was machst du bloß falsch?
Die Lesung begann und ich wurde regelrecht gefangen genommen von Ihrer beider Energie. Ich musste dieses Buch sofort lesen! Mein damaliger (dominanter) Spielpartner hatte nur einen verächtlichen Kommentar übrig, als er es bei mir auf dem Nachttisch liegen sah. Ich nahm es locker, doch im Nachhinein denke ich mir: Verachtung ist oft eine subtile Form der Angst.
Nachdem ich das Buch an zwei Tagen verschlungen hatte, stand ich vor einem Dilemma. Einerseits sehnte ich mich nach dem, was Sie beschrieben haben. Andererseits: Ich – dominant? Wie sollte das denn gehen?
Die folgenden Monate gebe ich etwas verkürzt wieder, sonst wird aus dieser E-Mail ein halber Roman. Ich traf mich mit einer Domina, besuchte FemDom-Events, änderte meine Orientierung erst zu »Switcherin« und später zu »dominant« und verabschiedete mich von sämtlichen dysfunktionalen Verstrickungen mit dominanten Männern. Denn deren Kick war irgendwie nicht mehr mein Kick. Ich entdeckte eine neue Welt, obwohl ich mich zehn Jahre lang äußerst routiniert auf dem BDSM-Parkett bewegt hatte. (Zumindest dachte ich das.)
Ich lebe nicht in einer FLR … noch nicht 😉 Aber ich habe wunderbare Erlebnisse, in denen ich Tiefe und Verbundenheit fühle.
Dafür möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Sie waren der Sand in meinem Getriebe, der Fragen aufwarf, die ich mir bis dato nicht gestellt hatte. Ich bin noch dabei, einiges zu justieren, doch die Rädchen drehen sich wieder – so gut wie nie zuvor.
Liebe Lilith, lieber Rolf, danke für dieses Buch. Danke, dass es Sie Beide gibt.
Ein paar allgemeinere Wort noch zum Abschluss. Ich bin sehr aktiv auf Social Media und als dominante Frau in meinem Freundeskreis »geoutet«. Es mag an meiner Filterblase liegen, aber es gibt sehr viele, die sich für FemDom und FLR interessieren. Vielleicht erleben wir gerade einen neuen Trend (nach dem Hype von »Shades of Grey«)? Vielleicht findet unsere Gesellschaft endlich einen konstruktiven Zugang zu dem Themenkomplex »Frauen und Macht«, der sich außerhalb stereotyper Rollenbilder befindet?
Ich bin gespannt und hoffe, dass viele andere den Mut finden, sich selbst und ihre Wünsche – entgegen der erlernten Konventionen – zu entdecken. Ihr Buch empfehle ich jedenfalls immer gerne weiter.

Herzgruß aus Stuttgart
Jay