Wieso Sehnsucht nach Schmerz?

1. Mai 2019 Aus Von Lilith

In meinem Buch gibt es ein Kapitel, das eine Outdoor’session‘ beschreibt, in der ich Rolf eine Windelpackung Brennnesseln verpasste, etwas, das Rolf schon allein beim Gedanken daran ganz wuschig machte. Zwar ist die Geschichte – schriftstellerische Freiheit – etwas ausgeschmückt, aber im Wesentlichen ist das ganze genauso passiert.

Anfangs verstand ich solche Wünsche gar nicht. Wie kann man so etwas wollen? Und genau diese Frage wird mir von Leserseite immer wieder gestellt:
„Das tut doch weh! Was ist daran, um Himmels Willen, so geil?“

Das tut weh, wahrhaftig. Keiner von uns würde freiwillig in Brennnesseln greifen, geschweige denn sich hineinsetzen. Es sei denn, er wäre ein alternativ angehauchter Gesundheitsfanatiker, der sich von der Reiztherapie Linderung erhofft. Davon ist Rolf weit entfernt.
Weshalb also solche Wünsche nach schmerzvollen Sessions?

Ganz häufig hörte ich von FLR-Partnern, wenn ich sie genau das fragte: „Eigentlich steh ich gar nicht auf Schmerz, es ist etwas anderes.“ (Ausgenommen natürlich dezidiert masochistisch veranlagte Männer, die es in FLR-Beziehungen natürlich auch geben kann.) Und wenn ich mich nach dem ‚Anderen‘ erkundigte, taten sie sich mit der Antwort schwer.
Da verstand ich erst mal gar nichts mehr.

Es dauerte eine Zeit lang, bis wir in mehreren Gesprächen miteinander eine Antwort gefunden hatten, die dieses zunächst unverständliche Phänomen erklärte:
„Weißt du“, fasste Rolf eines Abends zusammen, „es geht gar nicht um den Schmerz, egal ob du die Peitsche schwingst, Brennnesseln befiehlst oder Klammern ansetzt. Es geht um den erotischen Kontext. Um das Prickeln, die Erregung und das Spiel. Das ist das eine. Und es ist ein Aspekt dabei, den ich heute benennen kann, der mir so aber davor nicht bewusst werden konnte: Es wird dadurch eine Möglichkeit geschaffen, auf besonders intensive Weise zu spüren. Es entsteht eine besondere Art der Wahrnehmung durch die Erfahrung einer Grenze, an die ich im normalen Alltag nicht unbedingt komme. Wenn du mir aber einfach so, ohne diesen Rahmen, Schmerz zufügen würdest, hätte ich kein bisschen Spaß daran.“

Das konnte ich verstehen. Und es ist schon besonders, dass solche Aktionen, die, von außen betrachtet, sonderbar anmuten, etwas ganz anderes sind als wonach sie aussehen.